Nippon Connection 2012 Frankfurt am Main (2.5.-6.5.2012)

Nach den Fantasy Filmfest Nights und dem Cine-Maniacs war dervideospieler Anfang Mai bereits auf seinem dritten Filmfestival dieses Jahres: Die Nippon Connection hat wieder nach Frankfurt am Main geladen. Die Nippon Connection ist das größte Festival für japanische Filme außerhalb Japans und kann immer wieder mit internationalen Premieren und vielen Stargästen aufwarten. Der Themenschwerpunkt der diesjährigen Nippon Connection ergab sich ganz von alleine aufgrund der Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe in Japan im letzten Jahr, die von vielen Regisseuren in ihren Filmen verarbeitet wurden. Trotz allem kamen aber all die lustigen, grotesken oder Sperrigen Filme, die man auf einem solchen Festival erwartet, nicht zu kurz.

Doch bevor man sich den Filmen hingeben konnte musste man eine Anfangs fast unüberwindbar scheinende Hürde überwinden: Den Ticketkauf. Wollte man am Mittwoch ein Ticket an der Abendkasse kaufen musste man rund 2 Stunden in der brütenden Sonne in der Schlange stehen – kein überzeugender Einstand für das neue Ticketsystem das dieses Jahr erstmalig zum Einsatz kam. Das bisherige war wesentlich effizienter und es ist zu hoffen, dass das Nippon Connection Team für nächstes Jahr eine bessere Lösung finden kann.

Im Gegensatz zu den zuvor genannten Festivals wird die Nippon Connection ehrenamtlich organisiert und findet zum größten Teil auf dem Gelände der Universität Frankfurt statt. Es sorgte eine ganze Armee von ehrenamtlichen Helfern dafür, dass das Festival, mit Ausnahme der Ticketsituation am Mittwoch, über weite Strecken relativ reibungslos über die Bühne ging. Diesen Helfern, der vorhandenen Location und den zahlreichen Sponsoren ist es wohl auch zu verdanken, dass die Ticketpreise mit 5,50€ – 6,50€ (Studenten 1€ weniger) für ein solches Festival angenehm niedrig ausfallen. Dafür nimmt man auch die nicht ganz so bequeme Bestuhlung der Vorführräume in Kauf.

Die Nippon Connection besteht aus vier großen Einheiten: Im Nippon Cinema werden größere japanische Kinoproduktionen im großen Kinosaal gezeigt. Bei diesen Filmen werden per Stimmzettel die Zuschauermeinungen abgefragt und am Ende der Gewinner des Nippon Cinema – Awards gekürt. Im kleinen Nippon Visions-Saal zeigt das Festival bevorzugt Independent-Produktionen und Kurzfilme. In Sachen Ton- und Bildqualität oft weit hinter den Nippon Cinema – Beiträgen und auch oft mit Laienschauspielern besetzt, gibt es hier hin und wieder echte Perlen und Geheimtipps zu entdecken. Hier entscheidet eine Jury über den besten Filmbeitrag. Abseits des Festivalgeländes zeigt das Kino im deutschen Filmmuseum in der Reihe Nippon Retro japanische Filmklassiker die in diesem Jahr alle unter dem Thema „Protestkultur in Japan“ einzuordnen waren. Letzter großer Block ist das Rahmenprogramm, das unter dem Begriff Nippon Culture zusammengefasst wird. Partys, Konzerte, Kochkurse, Trommel-Workshops, Tee-Zeremonie, eine Kaligraphie-Ausstellung und vieles mehr kann man als Besucher abseits der Filmvorführungen entdecken. Es gibt also mehr als genug zu tun und zu entdecken während der fünf Veranstaltungstage und nicht selten wird man sich zwischen zwei Programmpunkten entscheiden müssen (zum Glück werden einige der Nippon Cinema – Filme im Kino Orfeo’s Erben wiederholt, was die Situation ein wenig entspannt…).

Mittwoch:

Der erste Abend der Nippon Connection beginnt mit nur einer handvoll Programmpunkte. Aus den vier Filmen habe ich mir Half Virgin and Zero Man (Nippon Visions) von Regisseur Sakichi Sato (Tokyo Zombie) herausgepickt. Unser Protagonist Kenichiro wacht eines Tages in Polizeiuniform gekleidet auf, kann sich aber weder daran erinnern, wer er ist, noch daran, dass er Polizist ist oder wo er wohnt. Noch seltsamer ist allerdings, dass er auf der Stirn anderer Menschen seltsame Zahlen sieht, wenn er sexuell erregt ist. Was haben diese Zahlen zu bedeuten? Und warum prangt auf seiner eigenen Stirn eine große Null? Diesen absurden Fragen geht der Film auf amüsante Art nach und hinterlässt die Zuschauer mit einem großen WTF im Gesicht wenn die Saallichter wieder angehen. Ein herrlich grotesker Film der mit einigen Längen zu kämpfen hat und für mich nur sehr schwer zu bewerten ist… deswegen die Wertung: WTF/10 ;)

Donnerstag:

Weiter geht es mit Sukiyaki (Nippon Cinema). Wie der Titel schon verrät dreht sich in diesem Film fast alles nur ums Essen. Und zwar genauer um Geschichten über das Essen. Fünf Gefängnisinsassen teilen sich eine Zelle und verbringen sich die Zeit mit einem Spiel: Jeder erzählt den anderen von seinem Besten Mahl, das er ja zu sich genommen hat. Es gewinnt das Spiel, wer die meisten anderen Insassen mit seiner Geschichte dazu bringen kann vor lauter Wasser, das im Mund zusammengelaufen ist, schlucken zu müssen… Und der Gewinner darf sich dann beim Neujahrsfestmahl von der Ration der anderen Mitspieler etwas aussuchen. Sukiyaki hat mir seinen unterschiedlichen Geschichten und den tollen Schauspielern überraschend gut gefallen, und nicht nur einmal musste auch ich dank der leckeren Bilder schlucken ;) Einzig eine der Geschichten die mit einer recht umfangreichen Liebesstory daherkam hätte etwas kürzer ausfallen sollen. Trotzdem insgesamt ein sehr schöner Film (mit toller Musik, die leider etwas übersteuert aus den Lautsprechern dröhnte) der mir eine 7/10 wert ist.

Anschließend folgte für mich nach einer kleinen Pause die erste „Nippon Culture“ Veranstaltung: Nippon Heimkino. Die Trash-Experten Jörg Buttgereit und Thilo Gosejohann laden ein zu einem gemütlichen Heimkino-Abend mit Bier, Chips und einem Überraschungs-Trash-Film den die beiden dann parallel kommentieren. Hört sich nach einem Riesen-Spaß an, war auch nicht schlecht, aber irgendwie ist der Funke nicht richtig über gesprungen. Lags am Film (Housu) oder den etwas lustlos und unvorbereitet wirkenden Gastgebern?

Den Tagesabschluss macht dann schließlich Saya Zamurai (Nippon Cinema). Der alte und inzwischen recht gebrechliche Samurai Kanjuro wird nach dem Verrat an seinem Herren zum Gesetzlosen erklärt und ist zusammen mit seiner Tochter auf der Flucht. Als er dann schließlich doch gefangen genommen wird erhält er eine letzte Chance seiner Todesstrafe zu entgehen: Er hat 30 Tage Zeit, den Sohn des Herrschers zum lächeln zu bringen. Das hört sich leichter an als es ist, denn bisher hat es keiner der Gefangenen geschafft… Regisseur Hitoshi Matsumoto (der mich bereits mit „Symbol“ begeistern konnte) präsentiert mit dem Saya Zamurai wieder einmal eine schrullige Komödie mit viel Herz. Lange nicht so verrückt wie Symbol, und dank einiger Längen auch nicht ganz so gut, aber auf jeden Fall ein sehr sehenswerter Film. 8/10.

Freitag:

Die! Directors, Die! (Nippon Visions): Oh Mein Gott, was war denn das? Gruselig schlechtes Amateurfilmchen das sich mit 72 Minuten wie 2 Stunden angefühlt hat. 1/10 für die Baby-an-der-Nabelschnur-Szene. Mehr Worte verschwende ich für diesen Trash nicht…

A Honeymoon in Hell: Mr. and Mrs. Oki’s Fabulous Trip (Nippon Cinema): Na das ist doch mal besondere Flitterwochen: Statt in die Karibik oder sonstige Standardziele reisen die beiden frisch vermählten Protagonisten dieses Films in die Hölle! Die ist zwar ganz anders, als man die sich hierzulande vorstellt, aber trotzdem ein sehr seltsamer, teils fantastischer Ort. Wie viele andere Filme in diesem Jahr ist auch A Honeymoon in Hell ein wenig langatmig und würde von einer kürzeren Laufzeit nur profitieren. Nett, mehr aber nicht: 6/10

The Woodsman and the Rain (Nippon Cinema): Das Problem der Langatmigkeit hat The Woodsman and the Rain trotz der 129 Minuten Laufzeit nicht. Da der Film den Nippon Cinema Award gewonnen hat war ich wohl offensichtlich nicht der Einzige der dieser Meinung war… Der 60-jährige Katsu, Holzfäller von Beruf, stolpert zufällig in das Set eines Zombiefilms. Am Anfang genervt, weil er seiner Arbeit nicht weiter nachgehen kann und der Produzent ihn als Infozentrale über den Ort ausnutzt, wird er immer mehr vom Film und seinem jungen Autor und Regisseur in den Bann gezogen. Ein wahnsinnig schöner, lustiger und warmherziger Film über eine Freundschaft zwischen zwei völlig unterschiedlichen Typen. DAS Highlight des Festivals! 10/10

Samstag:

Children Who Chase Lost Voices From Deep Below (Nippon Cinema): Ein Anime darf natürlich nicht fehlen, und nachdem im letzten Jahr mit Arrietty und Colorful zwei absolute Highlights gezeigt wurden waren meine Erwartungen auch in diesem Jahr groß. Und sie wurden nicht enttäuscht: Makoto Shinkai bezaubert mit seinem neuesten Werk ein weiteres Mal mit einem ergreifenden Film über Freundschaft, Vergänglichkeit und Trauer mit atemberaubenden Bildern und traumhafter Musik. 9/10

Rakugo – japanische Erzählkunst (Nippon Culture): Till Weingärtner bringt die traditionelle Erzählform des Rakugo nach Deutschland. Dabei kniet der Erzähler vor dem Publikum und spielt seine Geschichten und übernimmt dabei mehrere Rollen. Eine schöne Abwechslung zum Filmalltag des Festivals.

Benshi-Brilliance! (Nippon Culture): Noch etwas, was man so nicht alle Tage erlebt: Ichiro Kataoka ist ein Benshi, ein Filmerzähler. Während im Hintergrund ein alter schwarz-weißer Stummfilm läuft erzählt der Benshi die Geschichte des Films (zumindest so, wie er sie interpretiert). Super!

Deadball (Nippon Cinema): Da ist er endlich, der obligatorische Spaß-Trash-Film der bei einem japanischen Filmfestival nicht fehlen darf! Sadistische Nazis, tödliche Baseballs, Blutfontänen, explodiere Körperteile, Psycho Butcher Girls… das sollte eigentlich als Beschreibung reichen, den Plot kann man auch getrost vergessen. Leider konnte der Film meine Erwartungen nicht ganz erfüllen, dafür hat sich das Spiel am Ende irgendwie zu lange gezogen und die Protagonisten waren mir zu egal… 7/10

Sonntag:

onedotzero: j-star 11 (Nippon Visions): onedotzero ist eine internationale Plattform für digitale Kunst und Design. In dieser Kollektion sind die besten Beiträge japanischer Künstler zu diesem Projekt versammelt, insgesamt 20 kurze Filmchen. Wie bei allem Kurzfilmsammlungen ist die Qualität sehr unterschiedlich, insgesamt aber doch sehr nett anzusehen und niemals langweilig. 6/10

Encounters & Dressing Up (Nippon Visions): Hier wurden zwei kürzere Filme hintereinander gezeigt. Encounters ist ein typischer Monster-Film der aber komplett mit Puppen und Spielzeug-Monstern gedreht wurde. Die Idee alleine sorgt schon für einige Lacher, der Film selbst hat letztendlich aber nicht genügend neue Ideen um vollends zu begeistern. Spaß macht er aber. 6/10. In Dressing Up begleiten wir eine 13-jährige Schülerin welche zu übertriebener Gewalt neigt wenn sie sich anderen Schülern streitet. Bald erfährt sie, dass auch ihre verstorbene Mutter ähnliche Probleme hatte und in psychatrischer Behandlung war. Wirklich überzeugen konnte mich auch dieser Film nicht, er hatte aber ein paar gute Ideen und war spannend genug dass ich am Ende doch wissen wollte, wie er endet. 5/10

Love Strikes! (Nippon Cinema): Mein letzter Film des Festivals war diese sympathische romantische Komödie über eine Loser, eine Jungfrau, welcher die meiste Zeit in seinem Leben damit verbringt sein Leben auf Twitter zu verbreiten… Auch auf seiner neuen Arbeit wird er alles andere als mit offenen Armen empfangen. Bis er eines Tages eine wunderschöne Bekanntschaft macht, die von seiner Art irgendwie angezogen scheint. Aber warum flirtet sie so mit ihm, wenn sie doch einen Freund hat? 7/10

Fazit:

Nach dem ersten sichten des Programms fürchtete ich noch, dass die Nippon Connection in diesem Jahr weniger für mich brauchbares Material im Angebot hätte als im letzten Jahr. Tatsächlich war es aber so, dass mich die Filme, von denen ich mir mehr erwartet hätte eher etwas enttäuscht haben, während andere Filme, wie The Woodsman and the Rain, den ich mir fast nicht angeschaut hätte, mich vollkommen überrascht haben. Zwar denke ich immer noch, dass das Gesamtpaket im letzten Jahr noch etwas stimmiger war, sich das Festival aber auch in diesem Jahr gelohnt hat und ich es auch im kommenden Jahr fest eingeplant habe. Ein ganz großer Dank geht auch an all die fleißigen ehrenamtlichen Organisatoren und Helfer, die da ein echt massives Event auf die Beine gestellt haben.

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